Vertical Farming: Wie Startups und Städte die Landwirtschaft revolutionieren
Lebensmittel sollen frisch sein und für viele Menschen ist mittlerweile die Herkunft aus der Region ein wichtiges Kaufargument. Warum dann nicht die Landwirtschaft in die Stadt bringen, um zum Beispiel Wege zu verkürzen? Urban Farming heißt diese Entwicklung. Allerdings fehlt oft der Platz in den Megacities von morgen – daher wandert das zu erzeugende Gemüse schon heute in die Vertikale. Ist Vertical Farming ein Lösungsansatz für die Zukunft unserer Ernährung?
Meine Tomaten kaufe ich vom Dach
Die Idee ist bestechend: Stadtbewohner können in ihrem urbanen Umfeld die Versorgung mit Lebensmitteln auf eine neue Grundlage stellen. Vertical Farming, auch als vertikale Landwirtschaft bezeichnet, ermöglicht eine platzsparende und ressourceneffiziente Lebensmittelproduktion in mehrstöckigen Gebäuden oder Containern. Durch den Einsatz von Hydroponik, Aeroponik oder Aquaponik können Pflanzen ohne Erde und mit minimalem Wasserverbrauch angebaut werden.
Controlled Environment Agriculture als Schlüsseltechnologie
Controlled Environment Agriculture (CEA) ist ein Schlüsselelement des Vertical Farming. Dabei werden alle Umweltfaktoren wie Licht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Nährstoffe präzise gesteuert, um optimale Wachstumsbedingungen zu schaffen. LED-Technologie ermöglicht eine energieeffiziente und auf die Pflanzen abgestimmte künstliche Beleuchtung. Sensorik und Automatisierung helfen dabei, den Anbau zu überwachen und zu optimieren.
Vertical Farming verspricht viele Vorteile: Eine wetterunabhängige und ganzjährige Produktion, kurze Lieferwege, frische und pestizidfreie Produkte sowie eine deutliche Reduktion des Wasserverbrauchs und der CO2-Emissionen. Durch die lokale Produktion in der Stadt können Transportwege minimiert und die Ernährungssicherheit verbessert werden. Zudem ermöglicht die vertikale Bauweise eine effiziente Flächennutzung.
Innovative Startups treiben die Entwicklung voran
Zahlreiche Startups weltweit setzen auf Vertical Farming. Das Berliner Unternehmen Infarm, gegründet von den Brüdern Guy und Erez Galonska, lässt Gemüse, Salate und Kräuter komplett in Innenräumen per LED-Beleuchtung wachsen. Die vertikale Hydrokultur ist bestechend: Salat beispielsweise, der auf dem Feld 60 Tage bis zur Genussfähigkeit braucht, benötigt in ihrer Indoor-Farm nur 30 bis 35 Tage. Dafür sorgen das künstliche Licht, die Nährlösung und eine gute Belüftung.
Auch das französische Startup Jungle, das dänische Unternehmen Seasony mit seinem Roboter Watney™ und das kolumbianische Startup Urban Farmers Pro treiben die Entwicklung von Vertical Farming mit innovativen Lösungen voran. Sie versprechen höhere Erträge, geringere Kosten und eine noch effizientere Nutzung von Ressourcen.
Städte setzen auf Urban Farming
Immer mehr Städte erkennen das Potenzial von Vertical Farming. Der Stadtstaat Singapur, der fast alle Lebensmittel importieren muss, setzt bereits auf vertikale Gewächshäuser auf Dächern, sogenannte „Sky Greens“. In Dubai entsteht derzeit die größte Vertical Farm der Welt, die täglich drei Tonnen Obst und Gemüse produzieren und die Fluggesellschaft Emirates mit Mahlzeiten versorgen soll.
Auch in der Schweiz haben die Startups Yasai und Lokal365 Pilotanlagen für Vertical Farming in Betrieb genommen. Yasai baut in einer alten Industriehalle hauptsächlich Basilikum an, das täglich an Coop und Jelmoli geliefert wird. Lokal365 produziert in einem Bürogebäude in Zürich Microgreens für Händler wie Migros und Farmy.
Herausforderungen und Zukunftsperspektiven
Trotz der vielen Vorteile ist Vertical Farming nicht überall sinnvoll, insbesondere aufgrund des hohen Stromverbrauchs für die Beleuchtung und Klimatisierung. Ökologisch ist die Technologie nur in Kombination mit erneuerbaren Energien oder der zusätzlichen Nutzung von Sonnenlicht. Auch die Kosten sind noch eine Herausforderung: Bei der Vertikalen Farm des Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt liegen die Kosten für ein Kilogramm produzierte Lebensmittel zur Zeit bei 12 Euro. Jede konventionell erzeugte Biotomate ist da günstiger.
Dennoch bietet Vertical Farming enorme Chancen für eine nachhaltige und dezentrale Lebensmittelproduktion. Durch die Integration in Gebäude und eine grüne Architektur können Städte zu Orten einer zukunftsfähigen urbanen Ernährung werden. Die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich schreitet schnell voran und lässt auf eine vielversprechende Zukunft des Vertical Farming hoffen.
Vertical Farming als Baustein einer nachhaltigen Ernährung
Urban und Vertical Farming, aber auch die Renaissance des Gärtnerns werden in zunehmendem Umfang unser Zukunftsessen bestimmen. Es bestehen bereits verheißungsvolle Ansätze. Der Teufel liegt jedoch im technologischen Detail. Alles was machbar ist, ist nicht immer sinnvoll und nachhaltig.
Letztlich werden der Geschmack, die Qualität und der Preis von städtischen Lebensmitteln über ihren Erfolg entscheiden – und die Geschichte, wie sie erzeugt wurden. Vertical Farming hat das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Agrarwende und zur Zukunft der Landwirtschaft zu leisten. Durch die platzsparende und ressourceneffiziente Produktion von frischem Obst und Gemüse in urbanen Räumen kann Vertical Farming zu einer nachhaltigeren und krisensichereren Lebensmittelversorgung beitragen. Allerdings müssen noch einige technologische und wirtschaftliche Herausforderungen gemeistert werden, um das volle Potenzial dieser vielversprechenden Technologie auszuschöpfen.